Dienstag, 27. März 2012

Wie schreibt man einen offenen Brief?

Das ist eine ehrliche Frage - und ich hoffe,einer meiner wenigen treuen Leser hat einen Tipp für mich. Ich möchte unser Gesundheitsministerium anschreiben. Und einfach mal schildern, was im ganz normalen Alltag mit ganz normal verunfallten alten Menschen so passiert.
Hier schildere ich mal nur in Stichpunkten:
Donnerstag, 8. März: Ich finde meine Mama hilflos mit gebrochenem Fuß in ihrer Wohnung. Der Notarztwagen kam nach einer Stunde (!), die erste OP erfolgte noch am selben Abend. Obwohl meine Mutter eine Zusatzversicherung fürs Krankenhaus hat, kam ich mir in den nächsten 14 Tagen, in denen ich täglich bei meiner Mama auflief, vor wie eine Schmeißfliege: Meine Fragen waren allen lästig. Ok - Ma's Zusatzversicherung sicherten ihr ein Einzelzimmer und Chefarztbehandlung. Leider aber keine freundliche Pflege. Trotz aller Infos meinerseits über ihre psychischen Probleme war sie einfach nur "der Fuß".
Nach einer zweiten OP stand für den 22. März ihre Entlassung an. Das "Entlassungs-Management" der Klinik versprach eine Abholung per Rollstuhl mit einem Taxi für 10.30. Tatsächlich wurde meine Mutter dann liegend in einem Krankentransporter erst um 16.00 in die Kurzzeitpflege gefahren. Auf meine Beschwerde hörte ich die patzige Antwort eines Arztes: "Wir haben es halt nicht eher geschafft. Ist das ein Problem?" Wäre meine Mutter nicht bloß ein "Fuß" gewesen, hätte man meine Angaben berücksichtigt. Ein Arzt, der für seine Patienten ist,hätte gewusst: Für eine psychisch instabile Frau sind alle nicht eingehaltenen Verabredungen ein Problem.
Sie bekommt übrigens für ihren Kurzzeitpflegeaufenthalt keine Pflegestufe. Obwohl das Krankenhaus sie für die nächsten vier Wochen dorthin empfohlen hat. Begründung: Es ist klar, dass sie diese Pflege nicht für mehr als sechs Monate braucht. Und ihr Pflegebedarf ist nicht höher als 45 Minuten am Tag.
Hallo? Solange meine Mutter nicht trainiert wird, kann sie nicht alleine aufs Klo. Da ist sie doch auf Pflege angewiesen!
Die Krankenkasse sagte auf mein Nachhaken, meine Wut sei verständlich. Aber für eine zeitlich knapp bemessene Kurzzeitpflege gäbe es nun mal eine Gesetzeslücke in Deutschland. Auf meine Frage, wie denn nicht so begüterte Menschen sich eine Kurzzeitpflege von 65 Euro pro Tag leisten könnten, kam die Antwort: "Da muss dann eben irgendwie die Familie sehen wie sie das hin kriegt." Ach ja? Und wie machen das Familien, wo alle den ganzen Tag arbeiten müssen?
Ich denke, es ist klar, warum ich irgendwann diesen offenen Brief ans Gesundheitsministerium schreiben muss! Und einen Bericht über die Unzulänglichkeiten in der Kurzzeitpflege hänge ich dann hier wie dort noch an.

Sonntag, 18. März 2012

Wem Gott will rechte Gunst erweisen...

...den schickt er auf die Reeperbahn!
Ok - aus dieser Aussage will ich natürlich keine allgemeingültige Lehre machen. :-)
Aber bei mir war das am Freitag so. Ungefähr 14 Tage bevor ich wusste, was derzeit mit Mama auf mich zukommen würde, haben der Gatte und ich spontan zwei Karten fürs St. Pauli Theater erstanden. Auf dem Plan stand "Tod eines Handlungsreisenden" von Arthur Miller. Und wir hatten Freitag einen total genialen Abend!
Nicht nur, dass wir großartige Schauspieler erlebt haben - allen voran den wunderbaren Burghart Klaußner. Der hatte uns schon in dem ausgezeichneten Film "Das weiße Band" schwer beeindruckt. Die anderen Hauptdarsteller - wie Margarita Broich - waren auch erste Sahne.
Das Stück selbst ist große Klasse! Die Uraufführung war 1949 - und noch immer ist es hochaktuell. Der Zuschauer trifft auf den Vertreter Willy Loman, als der über 60 ist, dazu erschöpft und verschuldet. Obwohl ihm dann auch noch gekündigt wird, versucht er verzweifelt, den Schein seiner Existenz aufrechtzuerhalten. Gegenüber seiner Frau und den beiden erwachsenen Söhnen tut er so, als wäre er noch immer ein tüchtiger und beliebter Verkäufer. Am Ende sieht er nur einen Ausweg, um seine Familie vor dem endgültigen Niedergang zu retten...
Faszinierend ist wie Rückblicke, Erinnerungen und Wunschvorstellungen auf der Bühne dargestellt werden. Immer wieder steigen die Darsteller aus der "Gegenwart" aus und spielen Szenen aus früheren Jahren. Manchmal zeigt sich dieser Zeitenwechsel einfach an den unterschiedlichen Kostümen, welche die Darsteller plötzlich "jünger" machen. Das Bühnenbild ist einfach, aber mit wenigen Handgriffen stimmig verwandelbar.
Bei dieser wunderbaren Inszenierung sind eben alle Komponenten, die ein gutes Theaterstück ausmachen, auf hohem Niveau. Das war echt Theater vom Feinsten!

Mittwoch, 14. März 2012

Plötzlich und unerwartet...

...so beginnen Katastrophenmeldungen. Als ich letzten Donnerstag morgens meinen Blogeintrag schrieb, wusste ich nicht, dass die Katastrophe schon vor Stunden geschehen war und ich sie gegen 11.30 entdecken würde.
Wie jeden Donnerstag (und Montag) parkte ich mein Auto an der sieben Minuten entfernten Service-Wohnanlage, wo meine Mutter seit fast 2 1/2 Jahren lebt. Ich wollte sie für gemeinsame Aktivitäten abholen. Als auf mein Klingeln der Türdrücker nicht ertönte, wurde mir schon mulmig. Mit meinem Schlüssel bin ich ins Haus - und dann in die Wohnung. Ich fand meine Mama hilflos, aber bei klarem Verstand auf den Fliesen in ihrem Bad. Irgendwann nach Mittwochmittag - da bekam sie ihr Essen geliefert - war sie plötzlich gestürzt. Im Wohnzimmer wie man an den Blutflecken von ihren Hautabschürfungen sehen kann. Sie hatte es geschafft, ins Bad zu robben. Warum sie durch die offene Schlafzimmertür nicht auch zum niedrig stehenden Telefon auf ihrem Nachtschrank gerobbt ist, weiß nur sie allein.
Sie war halt schon vier Jahre vor dem Tod meines Papas im Herbst 2009 schwer depressiv. Ansonsten ist sie aber körperlich unglaublich fit wie wir Ende Januar beim Gesundheitscheck mal wieder erfahren hatten. Sie ist auch erst 71.
Aus diesen Gründen hatten wir auch nicht mit diesem Unfall gerechnet.
Der Notarztwagen hat sie dann in die nächste Klinik transportiert. In einer Not-OP wurde ihr rechter Fuß, der sehr kompliziert gebrochen ist, mit einem Fixateur versehen. Das bedeutet: Bis morgen früh den Fuß im Bett still halten. Das bedeutet auch: Sich im Bett waschen lassen - und Bettpfanne. Das ist für meine Mama ziemlich unerträglich.
Morgen wird dann in einer zweiten OP der Fixateur entfernt und der Fuß "richtig" operiert. Bevor sie dann irgendwann in die Reha kann, wird sie wohl eine Weile in Kurzzeitpflege müssen. Das ist für sie natürlich alles ganz furchtbar.
"Plötzlich und unerwartet" hat sich aber auch mein Leben fürs erste komplett geändert. Jeden Tag fahre ich 20 Minuten für einen Weg, um meiner Mama für eine Stunde die Hand zu halten. Da muss ich andere Termine halt streichen. Dazu kommen Gespräche über Pflegestufe und die Suche nach einem Kurzzeitpflegeplatz.
Und so was ist ja auch für Menschen in meinem Alter normal. Die Eltern brauchen halt irgendwann unsere Unterstützung und wir sind die Verantwortungsträger. Aber meine Mama ist noch zu jung für einen Platz im Pflegeheim. Ich hoffe, das wird wirklich nur eine Übergangszeit. Ich hoffe, sie bringt trotz ihrer Depressionen den Elan auf, an ihrer Reha kräftig mitzuarbeiten.
Und erneut bin ich dankbar für jeden Tag, an dem mein Mann, unsere Kinder oder ich von solchen Unfällen verschont bleiben, die "plötzlich und unerwartet" alles Mögliche auf den Kopf stellen. Normaler Alltag ist etwas ganz Wunderbares!

Donnerstag, 8. März 2012

"Sehnsucht nach Heilung" -

so heißt das aktuelle Buch von Joni Eareckson Tada. Die Autorin ist nur ein paar Jahre älter als ich. Als Teenager habe ich ihre Autobiografie "Joni" mit großer Anteilnahme gelesen. Sie war 16 Jahre alt, als sie einen Kopfsprung in zu flaches Gewässer machte. Die Folge war Querschnittslähmung - ab dem Halsbereich. Sehr ehrlich schrieb sie damals von den ersten verzweifelten Monaten, von ihren Anklagen gegen Gott. Nach der Verzweiflung kam der Lebensmut zurück. Joni wurde eine gefragte Predigerin und Evangelistin, sie gründete eine Organisation mit dem Ziel, Rollstühle in die dritte Welt zu bringen und sie heiratete. "Nebenbei" malt sie wunderbare Bilder - mit dem Mund.
Ihre Ärzte sagen, es sei ein Wunder, dass sie nun schon über 40 Jahre im Rollstuhl überlebt hat. Leider geht es Joni in den letzten Jahren trotzdem zunehmend schlechter. Sie leidet unter fürchterlichen chronischen Schmerzen und an Brustkrebs. Und das, obwohl sie Gott seit Jahrzehnten voller Hingabe dient und für viele Menschen ein bewegendes Zeugnis ist. Sie lebt die Liebe zu Gott - obwohl er ihr bisher keine Heilung geschenkt hat.
In ihrem Buch erzählt sie von wohlmeinenden Christen, die sie fragen: "Haben sie je darüber nachgedacht, dass vielleicht unbekannte Sünde Ihrer Heilung im Weg stehen könnte? Dass sie irgendwie ungehorsam waren?"
Es ist interessant zu lesen wie Joni auf diese Fragen eingeht. (Ich bewundere sie übrigens für die Geduld und Ernsthaftigkeit mit der sie das tut. Ich finde so eine Frage von gesunden Christen an chronisch Kranke schlicht unverschämt)
Kapitelüberschriften wie "Die Frucht des Leides" oder "Danke, Gott, für diesen Rollstuhl" lassen ahnen, wohin die Reise geht. Eine Herausforderung für alle, die steif und fest behaupten, für echte Fromme dürfe es Krankheit nicht geben.