Montag, 23. August 2010

Andere Länder, andere Sitten

Um die Wahrheit dieser Erkenntnis am eigenen Leib zu erfahren, muss man kein Weltenbummler werden. Es reicht, sich als deutsches Nordlicht gut 400 km Richtung Süden zu bewegen - ins hessische Hinterland.
Dieses Abenteuer gönnten der Gatte und ich uns am Wochenende. Bei lieben Freunden an der Lahn hatten wir die Gelegenheit, hautnah das Brauchtum des "Kartoffelbraten" zu erforschen. Um dieses Event zu zelebrieren ist ein "Bratplatz" Grundvorraussetzung. Unsere Freunde sind hessische Ureinwohner und haben so was im eigenen Garten. Der Bratplatz ist eine ziemlich große Feuerstelle mitten auf dem Rasen.
Kartoffelbraten beginnt morgens gegen 9.00. Dann wird Feuerholz in der Menge eines mittleren Wäldchens zu einer Art Riesenscheiterhaufen aufgerichtet. Alle angrenzenden Nachbarn schließen ihre Fenster, wohlwissend, dass diese die nächsten 16 Stunden nicht mehr geöffnet werden können. Denn das große Feuer brennt den ganzen Tag. Und wo viel Feuer ist, da ist auch viel Rauch...
Neben dem Bratplatz ist der Bratmeister unabdingbar für das Gelingen des faszinierenden Geschehens. In der Regel ist das ein kerniger Bursche, der unerschrocken großer Hitze dauerhaft trotzen kann. Er muss nämlich die anfallende Glut fürs Bratgut vorbereiten und ständig Holz nachlegen. Damit er dabei nicht innerlich austrocknet, ist es wichtig für ihn, sich mit Bierchen vom Faß feucht zu halten.
Regelmäßige Bierchen sind auch für die Gäste notwendig. Das deftige und reichliche Bratgut muss damit runtergespült werden. Gegen 11.00 gibts die erste Leberwust aus der Glut mit frischen Brötchen. Gegen 13.00 gibts die gebratenen Kartoffeln im Ganzen mit Schale, dazu diverse Salate. Damit das Feuer mal ein bisschen ungestört fackeln kann, isst man gegen 15.00 halt Kuchen. Und ca zwei Stunden später kommt dann der Hackbraten in die Glut, eingewickelt in Pergamentpapier und eine Zeitungsseite. Für den Geschmack des Bratens ist es enorm wichtig, dass man nicht irgendeine Zeitung nimmt. Nur der Hinterland-Anzeiger ist dafür gut genug.
Irgendwann, wenn es dunkel geworden ist, lässt man das Feuer ausbrennen und walzt gut gefüllt ins Bett.
Es macht immer Spaß, über den Tellerrand zu schauen und fremde Gebräuche zu erleben. Vom "Kartoffelbraten" kann man besonders viel mit nach Hause nehmen: Gut zwei Kilo mehr auf der Waage!

18 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jaja, so geht´s zu im Hinterland...
Schmunzelige Grüße aus Friedensdorf!

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Das ging aber schnell!
Du warst gar nicht dabei, oder?
Schön, dass dir die Beschreibung trotzdem vertraut vorkommt! :-)

Anonym hat gesagt…

Warum in dir Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Rossy? Bist du das? Oder der Bratmeister höchtselbst? :-)

Inge hat gesagt…

Hallo Nordlicht,

es freut mich das der Birreköpper Brott ,so einen großen Anklang gefunden hat.
Als Frau ,vom kernigen Brottler Behrens Uli,kann ich dem allen nur zustimmen.Alle Brotller,in Biedenkopf haben so an 3-4 Samstagen ihr Feuerchen im Herbst flackern.
4 x 2Kilo , gibt Satte 8 Kilo mehr auf der Waage.So gehen wir dann gestärkt in die Weihnachtszeit

ich freue mich das es Euch gefallen hat,dann bis zum nächsten Brott

Liebe Grüße Inge

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Liebe Inge,
danke für den kleinen Sprachkurs!
Die Kenntnis von Fremdsprachen ist ja heutzutage höchst wichtig.
Auch, wenn sich nicht alles auf Anhieb erschließt. "Biedenkopf" und "Birrekopp" - wieso macht ihr die "r"s da rein??? Hessen bleibt ein Mysterium...

eppendorfer hat gesagt…

In B'kopf soll es laut google maps ein chinesisches Restaurant geben. Wie kann das beim diesem lokalen Feinschmecker angeboten bloß überleben. Hat die Überfremdung in Hessen auch schon stattgefunden :-)

Anonym hat gesagt…

Hallo ,so sind die Biedenköpfer halt,auch bei ihrer Sprache,immer was besonderes.
Ein Zugezogener

Inge hat gesagt…

Ja, ja,so ist das bei uns in Birrekopp,ein Brott ist was ganz besonderes und unsere Sprache zum Teil, natürlich auch.
Aber wir können uns auch mit Leuten aus der Fremde verständigen,wir sind weltoffen,

gelle, Kathi

Inge hat gesagt…

Also Kathi mir ist etwas aufgefallen,gab es keine Knobbelincher beim Brott.Hat der kernige Brottmeistro etwa vergessen sie ins Feuer zu legen oder hat er sie nicht mehr im Dunkeln gefunden !? ??
Knobelincher heißen auf Hochdeutsch Mettwürstchen!
Man wickelt diese ,
in Butterbrotpapeier und in den Hinnerlänner ein,dann kommen sie in die Glut,wo sie nach 2o Minuten
genußfertig sind.Den Genuß Knobelinchen, hat nur ein Metzger original in Biedenkopf,die Metzgerei Unkel.In die Fremde gezogenene Biedenköpfer ,lassen sich die Knobelinchen zuschicken.

ich hoffe die Gastgeber sind mir nicht böse,das mir das aufgefallen ist.
Liebe Grüße Inge
Übrigens auf meiner Profilseite gehts zu meiner Gartenweb ,dort ist auch ein Bericht über unseren Brott im Garten Behrens.

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Liebe Inge,

diese Knobe-Dings waren natürlich vorhanden. Als ob Bratmeister Paul irgendwas vergessen würde! :-)
Aber bei keinem ging noch was rein - da haben wir sie weg gelassen.

Kennst du den anonymen Zugezogenen vom Vor-Vorkommentar? Vielleicht der Chinese, den der "Eppendorfer" gegoogelt hat? :-)

Anonym hat gesagt…

Bei diesem krisenerprobten Bratmeister und seiner charmanten,
liebreizenden Gattin muß der "Brott" ja ein Erlebnis sein.

Eine Insiderin

Anonym hat gesagt…

Schade, dass der zugezogene Anonymus sich nicht outet.
Wir könnten ihn ja das nächste mal zum Brott einladen.
Ist doch schön, dass er uns als etwas BESONDERS sieht. jippi.

Die Gattin vom Bratmeister

eppendorfer hat gesagt…

Dear Kate, da hast du offensichtlich ein Thema erwischt, dass runter geht wie - wie hiess es noch mal - Brott aus der Glut.
Schmeckt das auch mit Wildschwein?

Anonym hat gesagt…

Wildschwein beim Kartoffelbraten?
Das geht ja garnicht.
Der Brott hat einen strengen Ablauf, der eingehalten werden muß. Auch gibt es nicht irgendwelche Salate zur Kartoffe, sonder ausschließlich Rettich,Zwiebel und Heringsalat. Alles andere wäre Stilbruch.

Also, das Wildschwein heben wir uns für ein anderes Event auf.
Da mein Gatte Jäger ist, wird es nicht lange dauern, bis das Schwein am Spieß hängt.

Gruß Rossy

eppendorfer hat gesagt…

Hallo Rossy,
danke für die Klarstellung, Hering und WS geht nun wirklich nicht zusammen!
Ich bin auch Jäger; bei dem 'anderen Event' würde ich gerne mal dabei sein. Wir haben hier z. Zt. die Sauen leider im Mais und noch nicht in der Truhe. Am So. wird gedrückt, mal sehen was danach auf der Strecke liegt.

Rossy hat gesagt…

Hallo eppendorfer,

na dann wünsche ich für Sonntag
"Weidmanns Heil"
damit die Truhe für Weihnachten gefüllt wird.

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Liebe Rossy, lieber Eppie,

falls ihr Lust habt, eure Korrespondenz auf Jägerlatein zu vertiefen :-), stelle ich gerne ein direkte Verbindung her.
Endlich ist mal Leben auf diesem Blog! :-))