Montag, 26. April 2010

König Ödipus

Zwei Posts an einem Tag - das ist nicht meine Art und soll auch die Ausnahme bleiben.
Aber manchmal ist das Leben so bunt, dass es viel zu erzählen gibt, was sich nicht sinnvoll unter einen Hut bringen lässt.
Als ich gestern von meinem Wochenende nach Hause kam, hatte unser Töchterlein zwei Karten übrig für Bodo Wartke.
Eigentlich hatte ich keine Lust auf Theater und wollte einfach nur abhängen.
Was bin ich froh, dass ich mir den "König Ödipus" trotzdem angeschaut habe! Bisher kannte ich Bodo Wartke "nur" als Klavierkabarettisten - und finde ihn als solchen schon umwerfend.
Sein Solotheaterstück über das Drama von Sophokles ist aber der absolute Hammer!
Alle 14 Rollen spielt er selbst - und auch den Text hat er selbst gereimt.
Besonders stark finde ich, dass der Schauspieler es hinkriegt, saukomisch zu sein - und trotzdem die anrührenden, tragischen Szenen der Geschichte ebenfalls überzeugend spielt. Es gehört auch Mut dazu, dem Publikum so einen "Gefühlsspagat" zuzumuten.
Wer den Theatersaal verlässt, wird die Ödipus-Sage nicht mehr vergessen - egal, ob er die Geschichte vorher schon mal gehört hat oder nicht.

Ich wünsche mir begabte Schauspieler und Autoren, die so etwas mit den biblischen Geschichten aus dem Alten Testament hinkriegen. Bodo Wartke spürt man die Liebe zu dem Sophoklesdrama ab. Er hatte sich schon als Schüler darüber geärgert, dass heute kaum Jemand Zugang dazu findet wegen der sperrigen, unverständlichen Sprache. Wie genial, dass er sich der Herauforderung gestellt hat, den Stoff auch für junge Menschen lebendig zu machen.
Warum sollte das mit biblischen Texten nicht auch möglich sein?

Ich könnte ein Engel sein...

...diese nette Idee legte die Losung von gestern nah. Ich saß mit meinen "Gasteltern" Helene und Olli in Ennepetal beim Frühstückstisch und wir lasen gemeinsam:
"Gastfrei zu sein vergesset nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt."
Wir schauten uns an und fingen an zu kichern. "Himmlisch" bin ich ja nun nicht unbedingt.
Ich hoffe, Helene und Olli werden trotzdem für ihre Gastfreundschaft belohnt.
Samstag und Sonntag war ich in der FeG Gevelsberg eingeladen.
Am Samstag führte ich ein Seminar durch über die Herausforderungen der "Sandwich-Generation." Und am Sonntagmorgen durfte ich predigen - über eine "schrecklich nette Familie" aus dem ersten Buch Mose.
Zwischen diesen schönen Aufgaben wurde ich in Ennepetal gut gepflegt - mit lecker Essen und einer komfortablen Schlafstatt.
Zum Abendessen waren noch mehr Leute aus der Gemeinde eingeladen. Genial, so auf einen Schlag lauter neue "Geschwister" kennenzulernen und etwas von dem zu erfahren, was sie erlebt und durchlitten haben.
Ich bin so froh, dass ich überhaupt keine Probleme habe, in fremden Betten zu schlafen. Sonst wäre so ein "Reisedienst" schwierig.
Ich liege überall wie auf Wolken. Vielleicht bin ich ja doch ein Engel? :-)

Montag, 19. April 2010

Wittstock an der Dosse

Immer wieder freue ich mich darüber, dass ich vor einigen Jahren Frauenfrühstück-Referentin geworden bin.
Dadurch lerne ich wunderbare Orte kennen, von denen ich sonst gar nicht wüsste, dass es sie gibt. Seit dem Wochenende gehört auch Wittstock/Dosse dazu. Meine Privatunterkunft lag mitten in der Altstadt, deren mittelalterliches Ambiente komplett erhalten ist, inklusive Stadtmauer.
Wittstock ist das Rothenburg o.d.T in Brandenburg.
Schon auf der Fahrt dorthin war ich echt bewegt. Irgendwann passiert man auf der A24 zwischen Hamburg und Berlin das Schild mit der Aufschrift: "Hier verlief die ehemals innerdeutsche Grenze". (So ähnlich jedenfalls steht es da.)
Ich habe mich erinnert mit wieviel Angst ich als Kind und Teenager diese "innerdeutsche Grenze"erlebt habe.
Meine Eltern hatten gute Freunde in Sachsen. Oft haben wir uns in Ostberlin getroffen, um den Inhalt unseres Kofferraums in ihren Wartburg zu verfrachten. Seltener machten wir uns auf die lange und schwierige Reise nach Sachsen. Ich schob regelmäßig Panik, dass die grimmigen Grenzsoldaten mich auf dem Rückweg nicht wieder in die Freiheit lassen.
Außerdem war ich tieftraurig, dass der Kontakt mit unseren Freunden so schwierig war und die Familie uns nicht auch einfach mal besuchen konnte. Ich mochte die "Pfeiffers mit drei f" , ihre herzliche Gastfreundschaft und ihren hintersinnigen Humor.
Diesselbe erfrischende Unkompliziertheit habe ich jetzt in Brandenburg wieder gefunden. Die beiden Veranstaltungen am Freitag und Samstag haben Spaß gemacht, das Klönen mit meiner "Gastmutter" ebenfalls. Sie hat mir sogar eine Turmbesteigung der noch bis Anfang Mai geschlossenen "St.Marienkirche" ermöglicht, dem Herzstück der Wittstocker Altstadt.
Nach über 200 Stufen war ich zwar etwas aus der Puste, wurde aber mit einem grandiosen Rundumblick belohnt.
An diesem Wochenende habe ich das Wunder der Wiedervereinigung neu schätzen gelernt. Schade, dass soviel darüber gemeckert und geklagt wird! Ich möchte wieder anfangen, Gott für diese Bereicherung zu danken.

Montag, 12. April 2010

"Der Psalmenstreit"...

...heißt ein Roman von Maarten t'Hart. Die Geschichte spielt im Holland des 18. Jahrhunderts.
Die frommen Bewohner eines kleinen Städtchens schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein. Sie können sich nicht einigen, ob die "lange" oder die "kurze" Singweise von Psalmen die gottgewollte ist.
Sowas kennen moderne Christen natürlich nicht. Na ja - zumindest gehen wir nicht mehr mit Harken und Schaufeln aufeinander los. Bisweilen aber wird schon innerhalb einer Ortsgemeinde heftig mit dem Schwert der Heiligen Schrift über "Gottgewolltes" gestritten.
Da geht es dann zum Beispiel um die wichtige Frage der Positionierung des Kreuzes im Gottesdienstsaal. Wer es in die Mitte der Kopfwand rücken möchte, belegt das mit der Bibel. Schließlich ist das Kreuz das Zentrum des Glaubens!
Andere verweisen auf die eindeutige Schriftstelle "Wir predigen Christus als gekreuzigt" und wissen, dass der gottwollte Platz des Kreuzes hinter der Kanzel ist.
Ähnliche Streitgespräche lassen sich führen über die rechte Bibelübersetzung für Lesungen im Gottesdienst, das korrekte Outfit für Laienprediger oder über die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, "ungesäuertes Brot" fürs Abendmahl einzuführen.
Und bei der Frage nach der "geistlichen" Musik und den "geistlichen" Liedtexten, da geht es manchmal so richtig heiß her.

Beim Lesen des "Psalmenstreit" mag man nicht glauben, dass Christen früher wirklich Zeit und Energie für so eine Lapalie wie die Länge eines Liedes verschwendet haben.
Der Leser ahnt, dass Gott mit beiden Singweisen kein Problem hat. Ich würde gerne mal wissen, was Christen in 250 Jahren über unsere heutigen "Psalmenstreitigkeiten" so denken werden.
Und ob auch wir manchmal Zeit und Energie verschwenden für Fragen, die für Gott völlig unwichtig sind.

Montag, 5. April 2010

Es macht Spaß, mal ganz woanders zu sein...

...habe ich letztens hier noch fröhlich gepostet.
Heute muss ich ergänzen: Manchmal geht es an die Nieren, ganz woanders zu sein.
Mein "hier" sein , mein Zuhause, zeigte sich über die Ostertage von der besten Seite:
Beide selbstständigen Töchter als Übernachtungsgäste, heitere, ausgedehnte Frühstücke zu Fünft, gemeinsame Mahlzeiten inklusive der lieben Freundin von Söhnchen, ein mitreißend- fröhlicher Gottesdienst in einer Pfingstgemeinde am Ostersonntag. Kurz: Lachen, Gemeinschaft, lebendige Hoffnung.

"Ganz woanders" war der Film "Precious", den wir zu Sechst im Kino geguckt haben. Fast zwei Stunden kam uns eine völlig fremde, düstere und gemeine Welt hautnah.
Die Geschichte spielt im Harlem der achtziger Jahre. "Precious" ist 16, total fett und das zweite Mal schwanger - vom eigenen Vater. Mit drei Jahren wurde sie das erste Mal von ihm missbraucht, seitdem wird sie von ihrer Mutter als Konkurrentin gehasst. Diese Mutter demütigt und schlägt ihre Tochter, behandelt sie wie eine Haussklavin.
Die Darsteller der Tochter und der Mutter spielen so großartig, ich habe vergessen, dass ich einen Film sehe. Es war wie eine Dokumentation.
Das Wissen, dass diese Geschichte sich tagtäglich wiederholt - nicht nur im fernen Harlem, sondern z.B. in deutschen Plattenbauten - macht Einen fertig.

Mich hat dieser Film auch in meinem Glauben wieder mal an Grenzen gebracht.
Jesu Aufruf zur Feindesliebe wurde mir egal. Ich hoffte einfach, dass Precious ihrer fiesen Mutter endlich mal die Bratpfanne auf den Kopf donnern würde.
Ich begann zu zweifeln, dass Gott wirklich alle Menschen liebt. Diese Mutter verkörpert Boshaftigkeit, Lüsternheit und Faulheit schlechthin. Warum sollte die irgendjemand lieben?
Ich stellte Gottes Gerechtigkeit in Frage. Wie sollte aus einem Mädchen wie Precious, mit diesen schlimmsten Startbedingungen, jemals ein Mensch werden können, der offen für die Liebe Gottes ist? Zumal, wenn diese Liebe kaum Chancen hat, jemals bis zu ihr durchzudringen? Im Film hat es 16 Jahre gedauert, bis mal Jemand auf ihre Alltagshölle aufmerksam wurde...

OK - der Film vermittelt auch Hoffnung. Precious bekommt Hilfe von einer engagierten, liebevollen Lehrerin. Es ist ein Wunder, dass dieses Mädchen, das sich in ihren dicken Körper wie hinter einen Burgwall zurückgezogen hat, plötzlich erkennen kann, dass es Jemand gut mit ihr meint. Für sie wird die Lehrerin zu einem "Licht", das sie aus dem Tunnel führt.

Da wird der Film, trotz seiner drastischen Sprache und aller Brutalität, fast zu einem Lehrstück für Christen. Gerade, wenn uns Schicksale von "ganz woanders" an die Nieren gehen, wird Jesu Auftrag konkret: "Seid das Licht der Welt".